Warum hatten die Menschen früher weniger Bandscheiben¬beschwerden?

Waren es nur die fehlenden Möglichkeiten wie das Fernsehen oder die stundenlange Computerarbeit, die Menschen früher weniger über Bandschei¬benbeschwerden klagen ließen? War es das Mehr an Bewegung ohne Auto, Bahn und Flugzeug? War es die regelmäßige körperliche und bisweilen harte Arbeit? Fest steht jedenfalls, dass Rückenschmerzen in jüngster Zeit und vor allem in den Industrieländern extrem zugenommen haben. Viele Strecken sind einst zu Fuß oder auf dem Rücken eines Pferdes oder eines Kutsch¬wagens zurückgelegt worden.

Der Mensch hatte eine natürliche regelmäßige Bewegung. Das Vieh wurde versorgt, die Weiden umzäunt, das Gras mit der Sense gemäht, das Holz gehackt, der Ofen mit Holz oder Kohle geheizt. Heute helfen Motorsäge und Fernheizung, Rasenmäher und Autos. Man bewegt sich selbst gar nicht mehr so viel und bekommt einiges im Leben durch Maschinen abgenommen.

Rückenprobleme in Entwicklungsländern?

Das Problem mit den Rückenbeschwerden findet man hingegen in Entwicklungsländern eher seltener, um nicht zu sagen: Da taucht es fast gar nicht auf. Man mag schnell behaupten: Weil sie dort auch weniger Fernseher und Computer haben und nicht stunden¬lang unbequem und in falscher Kör¬per¬haltung bewe¬gungslos verharren. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Eine andere Lebensweise, ob in der Ernährung oder Bewegung, kommt ebenso hinzu wie äußere Bedingungen die durch z.B. Klima einen Einfluss haben. Dazu zählt ebenso die Grundeinstellung von mehr Gelassenheit, positivem Denken, Psyche, Emotion und Lebensfreude.

Nachkriegsbeschwerden

Nach dem Krieg haben sich viele Menschen in Europa und Übersee kräftig anstrengen und oft doppelt arbeiten müssen. Frauen in Deutschland, bekannt als die Trümmerfrauen, haben auf Schutthalden „Steine gekloppt“, wie man so schön sagte. Männer kamen von der Arbeit nach Hause und haben sofort entweder mit einer zweiten Beschäftigung weiter gemacht oder daheim ihr eigenes Häuschen aufgebaut. Und es gab kaum Maschinen. Muskelkraft ersetzte die heute überall tätigen Automaten. Man war in Not und kannte nichts anderes, als zu überleben. Viele Flüchtlinge sind nur mit dem Notwendigsten oft tagelang bei bitterer Kälte marschiert mit kleinen Kindern am Rockzipfel. Man hat zum Teil Raubbau am eigenen Körper betrieben. Oft hörte man den Spruch „Da muss ja was in den Knochen stecken bleiben“, und das war dann die Umschreibung für ein Rückenleiden.
Die Rückenbeschwerden im Alter waren Ursache von Überarbeitung, nicht vom Faulenzen, falschen Sitzen oder schlechtem Gang.

Noch heute schwere Arbeit

Manche Tätigkeiten wie beispielsweise das Pflastern von Wegen, der Gartenbau oder die Landwirtschaft sind auch heute noch harte Arbeit, die nur mit menschlicher Kraft erledigt werden können. Aber man weiß inzwischen um die Folgen falscher Bewegungen und Belastungen. So gibt es hilfreiche Ratschläge – ob beim Kistenschleppen oder in der Landwirtschaft. Selbst beim Melken der Kühe hatte man längst den Melkschemel erfunden, weil man erkannte, dass sonst die Wirbelsäule darunter leidet. Schwere Arbeit gibt es auch heute noch, doch man versucht sie mit Köpfchen erträglich und vor allem für den Knochenbau schadensfrei zu machen.

Bewegungsmangel

Nun ist es auch eine Sache der Tradition und Mentalität, ob sich ein Volk bewegt oder eher bequemer ist. Die Chinesen sind es von jeher gewohnt, Morgen¬gymnastik im Park zu veranstalten. Japaner unternehmen gemein¬schaftliche Turnübungen während der Pausen im Betrieb. Dieses kollektive Training ist uns anhanden gekommen, weil es teils auch durch die Nazizeit negativ belegt war.

Wir bewegen uns selbst immer weniger und halten so die Muskeln, Gelenke und Knochen nicht elastisch. Dazu kommt, dass sich in den westlichen Industrieländern eine Mentalität des passiven Konsumierens von Unterhaltung etabliert hat, die dazu verleitet, vor dem Fernseher zu sitzen und nebenbei auch noch ungesunde Nahrung aufzunehmen.

Intensive Computernutzung seit den Neunzigern

Seit den neunziger Jahren kommt eine intensive Computernutzung dazu, gepaart mit einer Menge von Tätigkeiten, die über den PC abgewickelt werden. Arbeits¬medi-ziner nehmen zwar Jahr für Jahr Millionen von Computer-Arbeitsplätzen unter die Lupe, prüfen die richtige Einstellung von PC-Winkeln und Stuhlhöhe, um Wirbelsäu¬len¬schäden durch falsche Körper¬haltung vorzubeugen, aber den¬noch sind wir eine Nation mit Rücken¬schmerzen geworden.

Wer ist besonders anfällig?

Wer ist besonders empfänglich für Rückenschmerzen und Bandscheibenbeschwerden? Das sind vor allem unter Stress stehende Menschen, die dazu eine Neigung zur Depression haben. Wenn ihnen dann auch noch ein körperlicher Ausgleich fehlt und sie in verspannter Haltung im Büro sitzen, macht sich der Rücken mit Schmerzen bemerkbar. Kleine Veränderungen in jedem dieser Bereiche – Stressabbau, Motivation, etwas Sport – können große Wirkung zeigen. Zum Beispiel kann der Erschlaffung der Ober¬schen¬kel¬muskulatur, die bei älteren Menschen leicht zu Stürzen führt, durch einfache Maßnahmen wie regelmäßiges Treppen¬steigen begegnet werden.

Wo bleibt das Fahrrad?

Und es ist ja so bequem geworden, mal eben mit dem Auto zum Brötchen¬holen zu fahren, statt zu Fuß zu gehen oder das Fahrrad aus der Garage zu holen. Wir lassen uns eher berieseln, als selbst aktiv etwas zu unternehmen. Da helfen auch neue Volkssport¬aktionen wie Tennis oder Golf wenig. Selbst die Trimm-Dich-Übungen, Waldläufe und neuerdings Nordic Walking scheinen nicht den erhofften Erfolg zu bringen. Fast Food und ungesunde Ernährung tun ein Übriges. Übergewicht zieht die Wirbelsäule nach vorne.

Hebe einen Kasten Bier nur aus der Hocke nach oben

Aber auch falsche Bewegungen und falsche Belastungen des Knochen¬apparats führen zu Schmerzen und Fehlstellungen. Nehmen wir nur das Beispiel mit der Kiste Mineralwasser: Statt in die Hocke zu gehen und den Kasten anzuheben und so die Wirbelsäule weniger zu belasten, greifen wir schwungvoll mit im Hüftgelenk abgewinkelter Wirbelsäule zu – falsch! So bekommt das Kreuz in Fehlstellung die volle Härte ab.

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