Warum entsteht Angst vor Menschen?

Meist sind es schlechte Erfahrungen, die uns dazu treiben, Angst vor Menschen zu entwickeln. Und sie stammen oft sogar aus der Kindheit und der eigenen Erziehung. Dabei sind verschiedene Möglichkeiten denkbar: Sie übernehmen einfach ungeprüft das, was Ihre Eltern oder Familie Ihnen mitgegeben und selbst vorgelebt haben (falsche Glaubenssätze/Warnungen/Sprüche/Ansichten) (Sei vorsichtig vor dem oder jenem, „Gehe Onkel Dagobert aus dem Weg“. „Hüte Dich vor fremden Männern“. „Gehe dem Hund aus dem Weg, der ist gefährlich“ und so weiter), die Sie ungeprüft übernommen haben. Oder Sie machen selbst schlechte Erfahrungen. Beispiele:

Sie sind vom Stiefvater unsittlich berührt oder gar sexuell belästigt worden. Nachbarjungs haben Sie verprügelt. Die eigene Mutter hat Sie nicht beschützt und sie vernachlässigt, weil diese vielleicht Alkoholikerin war. In der Schule hat Sie ein Lehrer gehasst und immer benachteiligt. Die Mutter hat Sie ständig mit ihren Tränen zu einem bestimmten Handeln erpresst. Ihre Mitschüler oder gar Geschwister haben Sie immer wieder gehänselt und dergleichen mehr.

Besonders in der Kindheit prägen uns solche Erlebnisse. Sie verlieren das Zutrauen zu Menschen oder speziell zu männlichen oder weiblichen Personen und Vorbildern. Oft können Sie erst als Erwachsener darüber reden und Ihren Schmerz verarbeiten. Ihre Seele ist verwundet und das ist schlimmer als eine Narbe. Eigentlich kann man das nur mit der Hilfe eines Psychologen verarbeiten. Manche Menschen entwickeln aus dieser Angst sogar ein typisch krankhaftes Verhalten wie zum Beispiel einen Waschzwang. Frauen neigen bei Vergewaltigung dazu, sich ständig von dieser Beschmutzung reinwaschen zu wollen. Ja, sie können einem nicht mal die Hand geben oder Türklinken anfassen, möchten nur noch Handschuhe tragen. Es gibt solche Typen, die Ihnen nicht mehr in die Augen sehen können und deren Blicke immer ausweichend sind. Andere trauen sich nicht mehr in Kaufhäuser, wo viele Menschen sind, oder auf Plätze mit Menschenansammlungen, in überfüllte Fußballstadien. Es gibt Leute, die an Häuserwänden entlang huschen und sich festhalten müssen. Manche trauen sich gar nicht mehr hinaus. Andere mögen in keinem Aufzug mehr fahren. So schlimm kann das enden.

Dann gibt es auch die durch ein bestimmtes Ereignis traumatisierten Leute, etwa bei einer Massenpanik fast selbst totgetrampelt worden zu sein oder bei einer Schiffskatastrophe eingeschlossen gewesen zu sein. Dieses Trauma kann Sie ein Leben lang belasten. Sie sehen: Es gibt verschiedene Gründe, warum man kein Vertrauen mehr zu Menschen hat und sogar Angst empfindet, ihnen zu begegnen, oder aber keine Beziehungen mehr zu anderen aufzubauen kann.

Angst vor Menschen kann aber auch aus Einsamkeit entstehen. Hier haben wir es mit einem gefährlichen Kreislauf zu tun: Man findet sich selbst wenig attraktiv, glaubt, dass andere einen nicht mögen; man mäkelt an sich selbst herum, traut sich deswegen nicht mehr unter Leute, vereinsamt und entwickelt dann eine Angst vor Menschen. Oder man wird auf der Arbeit gemobbt und zieht sich zurück. Andere hänseln einen – neu sind die Internet-Pranger: Man wird in den sozialen Netzwerken bloßgestellt – auch mit Fotos, was einige Menschen schon in den Selbstmord getrieben hat. Die Angst vor Menschen kann also ganz schlimme Folgen haben.

Bleiben wir noch ein wenig bei der Einsamkeit, die ja eng mit Angst zusammenhängt. Typische Anzeichen sind Müdigkeit, Probleme einzuschlafen oder durchzuschlafen, Antriebslosigkeit, Rückzug und Selbstisolation, Reizbarkeit, nervöses Verhalten, Selbstverletzungen wie Haut kratzen oder aufschneiden, Selbstmordgedanken, Depressionen, Nikotin-, Alkohol-, Drogen- oder Medikamenten-Missbrauch. Einsame Menschen fühlen sich leer und hohl, ausgebrannt, sind wenig aktiv. Daraus entwickelt sich dann Panik und Angst. Das Erstaunliche an Einsamkeit ist, dass man sie sogar in einer Partnerschaft und Ehe entwickeln kann.

Menschen fühlen sich gefangen, aussichtslos, verzweifelt. Allerdings passiert das fast in jedem Alter: Auch Jugendliche können ebenso einsam und ängstlich sein wie Senioren – die vielleicht ihren Partner verloren haben und keine neue Bindung aus Trauer mehr eingehen können. Oft leben die Kinder weit weg oder meiden gar den Kontakt. Dann entwickelt sich sogar ein Neid auf andere, die glücklich sind und viele Kontakte haben. „Warum habe ich keine Freunde und bin unglücklich?“ Sie betrachten es als Schicksal und Strafe. Man sieht sie oft teilnahmslos im Café sitzen, ihre Blicke sind hohl, ihr Gesichtsausdruck lässt nichts Gutes erahnen.

Arbeiten Sie an Ihrem Problembewusstsein

Sie wissen, dass Sie ein dickes Problem haben. Nun geht es darum, es zu ergründen. Gehen Sie der Sache endlich mal genau auf den Grund. Erkennen Sie die Ursachen und Auslöser. Jedes Problem muss genau analysiert werden. Es sind individuelle Schwierigkeiten, die man nicht verallgemeinern darf und für die es auch kein Lehrbuch gibt, keine Formel, nach der man es wie eine Rechenaufgabe lösen könnte. Sie haben Ihre eigene Geschichte und Ihr Nachbar hat seine. Deshalb ist es so wichtig, dass Sie an Ihrem ganz persönlichen Problem arbeiten.

Erkennen Sie den Auslöser, was war Ihr Schlüsselerlebnis? Verdrängen hilft hier gar nicht. Sie wollen doch wieder glücklich werden und mehr Lebensqualität haben. Warum haben Sie Angst vor Menschen? Manchmal müssen Sie tief graben und lange suchen. Hilfreich kann es hierbei sein, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Menschen mit ähnlichen Problemen unterstützen sich dabei, indem sie ihre „Fälle“ schildern.

Oft geht einem dabei ein Licht auf und Sie erkennen sich in anderen wieder. Wie haben Betroffene das Problem für sich gelöst? Welche Tricks und Kniffe haben Sie angewandt? Was hat ihnen die Augen geöffnet? Wie sind Sie Ihrer Angst auf die Schliche gekommen? Dadurch, dass man in der Gruppe über die Angst im Umgang mit Menschen spricht, fühlt man sich wie in einer Familie, in der man wieder Mut und Zutrauen findet. Man ist zunächst unter sich und kann in diesem geschützten Raum Nähe zulassen. Manche in der Gesprächsrunde sind schon weiter und können die anderen an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Man lernt voneinander und hilft sich gegenseitig. Das ist die Dynamik in der Selbsthilfe: Es treten neue in die Gruppe ein, andere sind schon am Ende ihres Problembewusstseins. So hat man immer eine so genannte durchmischte Gemengelage. Die Gruppe löst quasi von Anfang bis Ende das Problem Beziehungsunfähigkeit selbst, wobei jeder auf einem anderen Level steht. Beispiel: Kommt man als Frischling hinein, wird man sich zunächst sehr zurückhaltend, eher zuhörend beteiligen, auch reserviert der Gruppe gegenüber geben. Alles ist neu und fremd, die Skepsis überwiegt. Dann sieht man plötzlich, wie Teilnehmer von Problemen reden, die man selbst irgendwie kennt und horcht auf. Mit der Zeit kommt der Punkt, wo man aktiv in die Gespräche eingreift und immer sicherer wird. Also: abwarten, zuhören, Parallelen erkennen, Mut schöpfen, aktiv werden, eigene Probleme einbringen, Lösungen finden, Menschenscheu ablegen und wieder beziehungsfähig werden. So geht das in einer Selbsthilfegruppe.

Manche haben nicht diesen Mut. Man muss ja auch den Schritt erst mal alleine und bewusst gehen. Alternativ kann man sich auch durch einen Psychologen zunächst ans Händchen nehmen lassen. In Einzelgesprächen versucht der zunächst, an Sie überhaupt ranzukommen. Bis er Sie „geknackt“ hat, heißt gesprächsbereit, aufnahmefähig und lösungsbereit sind, können einige Sitzungen vergehen. Sein Ziel ist es heutzutage in der Psychotherapie, Sie gruppenfähig zu machen. Denn die Versicherungen bezahlen kaum noch Einzeltherapien. Macht auch durchaus Sinn, denn wir leben überall in Gemeinschaften: in der Schule, im Kindergarten, im Job, in der Nachbarschaft, in der Wohnanlage, in der Beziehung, Familie und sogar im Krankenhaus. Deshalb muss man Konflikte und Probleme auch in Gemeinschaft austragen, und eben nicht individuell mit sich selbst. Der Menschenfeind muss eben sozusagen hinein in die Konfrontation mit dem Aggressor Mensch (Konfrontations-Therapie). Nur indem wir uns dem Übel stellen, überwinden wir es auch. Jemand mit Angst vor dem Zahnarzt muss sich bewusst in die Nähe der Praxis begeben, den typischen Duft von Zahnarzt riechen, sich mit dem Mediziner unterhalten und über die Behandlung sprechen. Nur so verliert er seine Angst – Konfrontation mit dem Auslöser nimmt den Schrecken vor dem Zahnarzt – oder vor anderen Menschen.

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